Warum verändern sich die Verwendungskontexte eines Wortes? Meist lassen sich Phasen intensiver Kontextveränderungen identifizieren, in denen sich Hinweise auf mögliche Ursachen dafür finden. Beispiele für solche Phasen sind:
- kontroverse Diskussionen, in denen die Befürworter bzw. die Gegner einer Position zentrale Wörter in völlig unterschiedlichen Kontexten verwenden;
- punktuelle Ereignisse wie Naturkatastrophen, historische Ereignisse oder technologische Veränderungen, in denen nicht nur neue Wörter eingeführt, sondern zugleich auch alte Wörter in neuen Kontexten verwendet werden;
- zyklische Ereignisse wie z.B. „Olympia“, bei denen sich in einem von dem Ereignis bestimmten Zeittakt der Ort des Ereignisses und die Namen der handelnden oder betroffenen Akteure ändern.
Für das Erkennen von Kontextveränderungen wird im Vortrag das Maß der Kontextvolatilität vorgestellt. Damit ist es möglich, in einem diachronen Korpus die Kontextveränderungsraten von Wörtern in einem vorgegebenen Zeitraum zu quantifizieren und diejenigen Wörter explorativ zu identifizieren, deren Verwendungskontext sich in diesem Zeitraum auffällig stark verändert hat. Durch eine normalisierte Quantifizierung der Änderungsrate können auch Wörter verschiedener Häufigkeitsklassen miteinander verglichen werden. Im Vergleich zur reinen Häufigkeitsanalyse können so auch niederfrequente Wörter in die Analyse mit einbezogen werden, beispielsweise für die Erkennung schwacher Signale, welche sich oftmals durch frühzeitige Veränderungen im Verwendungskontext von niederfrequenten Wörtern anzeigen. Neben den hochvolatilen Wörtern können im Umkehrschluss aber auch solche Wörter identifiziert werden, deren Verwendungskontexte sich über einen längeren Zeitraum wenig ändern, beispielsweise, weil sie Teil einer formelhaften Sprache im technischen oder rechtlichen Kontext sind, oder weil sie im betrachteten Zeitraum einen politischen oder gesellschaftlichen Konsens darstellen.